Quelle: Fachpublikationen
FAQ: 
ja

Die Mutationsrate beschreibt wie viele neue Allele pro Generation in einer Population entstehen.
Die Mutationsrate arbeitet der Fixierungsrate entgegen und erhält so die Anpassbarkeit einer Population aufrecht,
denn nur wenn in einer Population mindestens zwei Allele zu einem Gen existieren, kann die Selektion auf diesem Gen anpassend wirkend.

In Ossowski, S., K. Schneeberger, J. I. Lucas-Lledó, N. Warthmann, R. M. Clark, R. G. Shaw, D. Weigel, and M. Lynch,
"The Rate and Molecular Spectrum of Spontaneous Mutations in Arabidopsis thaliana",
Science, vol. 327, no. 5961: American Association for the Advancement of Science, pp. 92–94, 2009.
wurde 2009 die Mutationsrate in der Pflanze Arabidopsis thaliana unter ausgeschalteter Selektion gemessen.
Sie erhielten dabei einen Wert für die Mutationswahrscheinlichkeit von pmbuchstabe := 7/1000000000 pro Nachkomme.
Bei einem Genom aus 120 Mil. Basenpaaren läuft das dann auf gerundet 1 Neumutation in jedem haploiden Satz pro Nachkomme aus bzw. 2 Neumutationen pro Nachkomme.
Bei gerademal 60 Mil. produzierter Samen pro Generation würde das dann bedeuten, dass im Mittel jeder Buchstabe des Genoms einmal Mutiert wurde.math
Parallelverarbeitung beschleunigt nicht nur bei Computern ungemein. Das gibt pro Generation eine enorme neu entstandene Testmenge (Variabilität).

Diese hohe Mutationsrate ermöglicht eine ziemlich schnelle Anpassung - ausreichende Populationsgrößen vorausgesetzt -.Bsp

  • math. Abschätzungsrechnung
    Die Anzahl der Nachkommen(Nk), die benötigt wird, damit im Mittel jedes Basenpaar (BP) in der Nachkommenspopulation einmal mutiert wurde kann wie folgt abgeschätzt werden:

    Voraussetzung: Die Mutationen der Basenpaare sind voneinander und vom Ort auf dem Chromosom unabhängig.
    Sei
    g [BP] die Genomgröße des Organismus in Basenpaaren für eine haploiden Chromosomensatz;
    z [Generation oder Zyklus] Vermehrungszyklus, also Vermehrungsgeneration;
    pM [1] die Wahrscheinlichkeit für spontane Mutation eines Basenpaares;
    c [1/Nk] die Menge der haploiden Chromosomensätze eines Organismus, die den vollständigen Chromosomensatz bilden;
    nr(z) [Nk/Z] die Anzahl der Nachkommen in der Generation z;
    mNk [BP/Nk] die Anzahl der mutierten Basenpaare pro Nachkomme;
    mr(z) [BP/Z] die Anzahl der mutierten Basenpaare in der Generation z; Jede Generation liefert unterschiedlich viele Mutationen bzw. Nachkommen
    nTotal [Nk] die Anzahl der Nachkommen, die benötigt werden, damit in der Nachkommenspopulation jedes Basenpaare im Mittel einmal mutiert wurde.

    nTotal bestimmt sich dann als:
    nTotal[Nk] =g⁄mNk; [BP]⁄[BP⁄Nk] =[1⁄(1⁄Nk)]=[Nk]
    mit
    mNk[BP⁄Nk] = c⋅g⋅pM; [1⁄Nk]⋅[BP]⋅[1] =[BP⁄Nk]
    mr(z)[BP/Z] = δm(z) = mNk⋅nr(z); [BP/Nk]⋅[Nk/Z] = [BP/Z]
    Die Mutationsrate hängt über die Nachkommenszahl von den herrschenden Bedingungen zur jeweiligen Generation ab. Nimmt man an, dass die Bedingungen und damit die Nachkommenszahl konstant ist, dann wird δm(z) zu δm auch konstant.
    nTotal =g⁄(c⋅g⋅pM)
    also:
    nTotal[Nk] =1⁄(c⋅pM) [1⁄(1⁄Nk)]=[Nk]
    nTotal ist also von der individuellen Genomgröße unabhängig. Es geht nur die Mutationswahrscheinlichkeit pM ein.

    Oben in der zitierten Arbeit gilt also für
    Arabidopsis thaliana (pM = 7⋅⏨-9):
    nTotal =1⁄(2⋅7⋅⏨-9) =(1⁄14)⋅⏨9 =71,43⋅⏨6 Nachkommen
    nTotal =~ 71 Mil Nachkommen.
    Rundet man den Wert g⋅pM oben, dann kommt man zu den dort genannten 60 Mil. Nk.


  • Bsp. Beispiele
    Unter der Annahmen, dass sich die Mutationsrate bei Tieren in ähnlicher Größenordnung bewegt, ließe sich daraus folgendes abschätzen:


    Vögel:
    Das Genom der Vögel setzt sich mit rund 70 Chromosomen aus einer großen Zahl sogenannter Mikrochromosom mit jeweils ca. 1⋅⏨6 Basenpaaren (BP)
    und relativ wenigen Makrochromosomen mit etwa 180⋅⏨6 BP zusammen.
    Nehmen wir für die Abschätzung an 1/7 der Chromosomen seien Makrochromosomen,
    dann ergibt sich daraus die Genomgröße g eines Vogels zu:
    g = 10⋅180⋅⏨6 BP +60⋅1⋅⏨6 BP
    g =1860⋅⏨6 BP
    g =1.86⋅⏨9 BP.
    Runden wir der Einfachheit die Schätzung von 1.86⋅⏨9 BP auf 2⋅⏨9 BP pro haploiden Satz g auf.
    Also: Ein haploides Genom hat g =2⋅⏨9 Basenpaare.

    Das bedeutet
    mNk = c⋅g⋅pM;
    mNk = 2⋅2⋅⏨9⋅7⋅⏨-9
    mNk = 28 mutierte Basenpaare pro Jungvogel.
    Jeder Jungvogel ist also im Mittel an 28 BP mutiert.

    Bei 71 Mil. Nachkommen wäre im Mittel jedes Basenpaar in der Population mutiert.
    Wenn eine Vogelart 2 Bruten zu je 5 Jungtieren im Jahr zum Schlupf bringt und 5 Jahre brutfähig bleibt, dann ergibt dass 100 Jungtiere pro Paar.
    Bei (71⋅⏨6)⁄100 = 710⋅⏨3 Brutpaaren, wäre dann nach 5 Jahren jedes Basenpaar des Genoms der Population einmal mutiert.
    710⋅⏨3 Brutpaare ist keine ungewöhnliche Populationsgröße für kleinere Vogelarten (Haussperlinge gibt es in Deutschland um 5 Mil.; Blaumeisen so um die 2,5 Mil.; Rotkehlchen in Deutschland rund 3 Mil.; Elstern, etwa 250 Tausend in Deutschland; Distelfinken 12 Mil in Europa)

    Selbst, wenn diese Population nur aus Klonen bestehen würde, wäre die Population einem solchen absoluten genetischen Engpass nach 5 Jahren entkommen.

    Bei einer Populationsgröße von 50 Brutpaaren wären nach ((71⋅⏨6)⁄(100⋅50))⋅5 Jahren = 71⋅⏨3 Jahren alle Basenpaare einmal mutiert. Eine solche Population bräuchte damit 70000 Jahre um obigem absolutem genet. Engpass gleichweit zu entkommen.

    Das macht dreierlei deutlich:
    a) Eine normale kontinentale Kleinvogelpopulation hat das Potential sich genetisch ziemlich schnell neuen Bedingungen anzupassen.
    b) Eine nicht wachsende Kleinpopulation braucht unglaublich lange, um das Experimentiermaterial herzustellen, also sich an neue Situationen anzupassen.
    c) Kann eine Flaschenhalspopulation in eine lange Zeit unbegrenzte Wachstumsphase eintreten, verlässt sie in kürzester Zeit ihren genetischen Engpass und zusammen mit der starken Initialdrift durch die Flaschenhalsstichprobe hat sie so die Möglichkeit in sehr kurzer Zeit eine neue Art oder Unterart zu bilden.



    Fische:
    Spielen wir das noch für eine hypothetische Fischart durch, die etwa 400 Eier pro Brut bringt (das wäre z.B. Macropodus ocellatus):
    ~70 Mio Nachkommen sind nach oben nötig, um jedes Basenpaar einmal mutiert zu haben. Nehmen wir 3 Bruten pro Jahr und 2 brutfähige Jahre an, ergibt das 2400 Larven. 70 Mio⁄2400 =~30Tausend Brutpaare reichen, um in zwei Jahren jedes Basenpaar mutiert zu haben.

    Bei einer Populationsgröße von 50 Brutpaaren wären nach (30000 Brutp⁄50 Brutp)*2 Jahre = 1200 Jahren alle Basenpaare einmal mutiert. Eine solche Population bräuchte damit 1200 Jahre um obigem absoluten genet. Engpass gleichweit zu entkommen.

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