Hypothese (empirische Wissenschaft)

Quelle: Fachpublikationen
FAQ: 
ja
Hypothese
In den empirischen Wissenschaften (Naturwissenschaften) stellt eine Hypothese eine im ew. Kontext fundierte, wohlbegründete und empirisch überprüfbare Vermutung oder Idee über die man ziemlich unsicher ist dar. Die Vermutung bzw. Idee muss erklärenden Inhalt haben und ist oft über viele unabhängige ew. Belege - Beobachtungsergebnisse (Daten, Fakten) - motiviert.

Kontext: Naturwissenschaften bzw. Empirische Wissenschaften (ew.)
Rangigkeit: potentieller Bausteine für ew. Theorien


Wissenschaftliche Hypothesen sind nicht einfache Vermutungen über Prozessergebnisse, sondern haben einen erklärenden Inhalt. Sie geben also eine Vorstellung warum etwas passiert. Dieser erklärende Inhalt muss empirisch belegbar und widerlegbar(falsifizierbar) formuliert sein.

Beispiel:
Es soll ein Experiment durchgeführt werden, bei dem ein Quader und eine Kugel eine schiefe Ebene hinunter rollen. Die Experimentfrage lautet: Wer kommt zuerst am Ziel an, wenn das Ziel viele Umdrehungen weit entfernt ist.
Zu diesem Experiment könnten z.B. folgende zwei Vermutungen angestellt werden:

  1. v1) Die Kugel rollt schneller den Hang hinunter als der Quader, kommt also zuerst an.
  2. v2) Bei konvexen Polyedern beeinflusst das Verhältnis aus Oberfläche zu umschlossenem Raumvolumen die Rollgeschwindigkeit auf einer Schiefen Ebene. Ein kleineres Verhältnis bei gleich großem Volumen und gleicher Krafteinwirkung resultiert in eine größere Rollgeschwindigkeit. (Kugeln können näherungsweise als Polyeder betrachtet werden, bei denen alle Flächenkanten gegen die Länge 0 gehen)

v1 ist eine schlichte Effekt- bzw. Ergebnisvermutung. Sie hat keinerlei erläuternden Charakter. Sie drückt einfach eine Ergebniserwartung aus. v1 ist also keine Hypothese.

v2 hingegen vermittelt uns eine Vorstellung WARUM eine bestimmte Beobachtung gemacht wird, wenn sie auch noch nicht erklärt WIE es dazu kommt. Sie hat also einen erklärenden Charakter.
Auch ist sie testbar, weil aus ihr Erwartungen wie in v1 für unterschiedliche Situationen ableitbar sind. Wir können also unterschiedliche Konstellationen von rollenden konvexen Polyedern beobachten, ihr Flächen-zu-Volumenverhältnis bestimmen und überprüfen, ob die Erwartungen aus v2 für die einzelnen Beobachtungen zutreffen.
Jede Beobachtung, die die Erwartungen aus v2 erfüllt, belegt die Gültigkeit dieser Hypothese und je mehr bestätigende Beobachtungen wir machen, desto größer ist unser Vertrauen in diese. Würden wir eine Konstellation beobachten, bei der von zwei gleichvolumigen auf der selben schiefen Ebene rollenden Polyedern der kantigere schneller wäre, wäre damit die Hypothese in obigem Formulierungsstand als nicht gültig bewiesen, wenn Beobachtungs-/Messfehler und Experimentfehler nicht als mögliche Erklärung für die Abweichen nachgewiesen werden können. (Falsifizierbarkeit).

Die Hypothese v2 ist also positiv auf Gültigkeit (bestätigende Beobachtungen) als auch negativ auf Ungültigkeit testbar.
Positiv ausgehende Tests können nur das Vertrauen in die Gültigkeit erhöhen aber nie die Gültigkeit beweisen im Sinne absoluter Sicherheit, eine beweiswertige Verifizierbarkeit ist also nicht gegeben.
Ein negativ ausgehender Test reicht aber im Prinzip schon aus, um die Ungültigkeit in ihrer aktuellen Formulierung zu "beweisen", Beweis durch Gegenbispiel. Dies ist die Falsifizierbarkeit.
Beide Eigenschaften, die Möglichkeit zur empirischen Bestätigung (erhöhen des Vertrauens in die Richtigkeit) und die Möglichkeit zur empirischen Widerlegung muss eine Hypothese in den empirischen Wissenschaften zumindest formal besitzen. Die praktische empirische Widerlegbarkeit mag dabei durchaus nur zukunftspotentiell sein, weil der jetzige Wissens-/Werkzeugstand den praktischen Test noch nicht erlaubt.

Nochmal zurück zu v1:
Naturwissenschaftliche(ew.) Ergebnisvermutungen/-erwartungen zu geplanten ew. Beobachtungen sind selbst keine Hypothesen aber basieren auf ew. Hypothesen (oder ew. Gesetzen bzw. ew. Theorien).


Abschweif:
Aus den oben dargestellten Eigenschaften der empirischen Überprüfbarkeit wird klar, dass die Gültigkeit von ew. Hypothesen nie bewiesen (im Sinne von unzweifelhaft) werden kann, die Ungültigkeit durch empirische Falsifikation (widerlegende Beobachtungen) aber Beweischarakter hat. Diese Eigenschaft zieht sich durch aller Erkenntnisformulierungen empirischer Wissenschaften, ob das nun ew. Hypothesen, ew. Gesetze oder als umfassendste Erkenntnisformulierung ew. Theorien oder irgendwelche anders bezeichneten ew. Erkenntnisformulierungen sind. Naturwissenschaften können und wollen nie den Anspruch auf absolute Wahrheit beanspruchen, dies ist ein Merkmal von nicht an ew. Beobachtungsergebnissen gebundenen Denksystemen wie Glaubenssysteme (Religionen, Ideologien, Dogmen) und anderen absolutistischen Weltanschauungen. Empirische Wissenschaften wissen immer, dass ihre Erkenntnisse nur Annäherungen an die Realität darstellen, die sie erklären sollen und dass diese Erkenntnisse nur durch kritische und nicht einseitige nachvollziehbare (reproduzierbare) empirische Überprüfung verbessert werden können. Dabei liegt bei der Überprüfung das Hauptaugenmerk auf die skeptische Überprüfung, d.h. man versucht in erster Linie Beobachtungsergebnisse zu gewinnen, die im Rahmen des Gültigkeitskontextes einer Erkenntnisformulierung (hier Hypothese) diese widerlegen, falsifizieren könnten. Es ist analog einem Software-Entwickler, welcher um die Funktionsfähigkeit seines Programmes zu belegen, natürlich nicht mehrheitlich Tests durchführt, von denen er sicher ist, dass sie funktionieren, sondern optimalerweise nach Tests sucht, bei denen er vermutet, zeigen zu können, dass das Programm einen Fehler hat. Ein idealer empirischer Wissenschaftler wird also nicht nach Beobachtungen streben, bei denen seine Ergebniserwartung auf Grund bereits bekannter Beobachtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv ist, sondern solche, bei denen er ein Fehlschlagen am wahrscheinlichsten findet. Ein Idealer Naturwissenschaftler ist also ein skeptischer Mensch, der wie ein guter Software-Tester zu zeigen versucht, dass die betrachtete Hypothese nicht gültig bzw. fehlerhaft ist, entweder in ihrer ew. Fundierung oder inneren Konsistenz oder letztlich am wichtigsten anhand von nicht passenden Beobachtungen.

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Der Hexenwahn vom 15. bs zum 17. Jahrhundert war keine Ausgeburt des finsteren Mittelalters, war keine kollektieve Manie, es war stattdessen eine von Gelehrten! kräftig propagierte Theorie.